Die Justiz dreht durch – Ansteckung wird bestraft!

anchmal gibt es Urteile, die wirken, als wären sie direkt einem dystopischen Roman entsprungen. Ein Gericht in Klagenfurt hat es tatsächlich geschafft, eine Frau dafür zu verurteilen, dass sie ihren krebskranken Nachbarn mit Corona angesteckt haben soll. Das Ergebnis: Vier Monate auf Bewährung und 200 Tagessätze Geldstrafe – der Preis für die mutmaßliche Weitergabe eines Virus, das sich bekanntermaßen kaum kontrollieren lässt. Doch das eigentliche Problem dieses Falls liegt tiefer: Es könnte der Beginn einer bedenklichen juristischen Entwicklung sein.

Stellen Sie sich das vor: Eine Frau geht ahnungslos die Treppe hinunter, begegnet einem Nachbarn im Flur – und plötzlich wird sie zur Kriminellen. Ihr wird vorgeworfen, den Nachbarn mit Corona infiziert zu haben, und das Virus soll ihm schließlich das Leben gekostet haben. Das Gericht stützt sich dabei auf ein Gutachten, das angeblich nachweist, dass die Virusstämme der Frau und des Verstorbenen „nahezu identisch“ sind. Doch es stellt sich die Frage: Wie viele andere Menschen im gleichen Gebäude könnten ebenfalls Virusträger gewesen sein? Diese Möglichkeit scheint das Gericht nicht weiter zu interessieren, denn offenbar musste ein Schuldiger her.

Ein Urteil mit einer fragwürdigen Vorgeschichte
Die Verurteilte ist kein unbeschriebenes Blatt: Bereits im Juli 2023 wurde sie verurteilt, weil sie trotz eines positiven Corona-Tests ihre Wohnung verlassen und sich ohne Maske in der Öffentlichkeit bewegt hatte. Damals bekam sie eine Bewährungsstrafe. Jetzt macht die Familie des verstorbenen Nachbarn sie für seine Ansteckung verantwortlich. Sie bestreitet das natürlich und gibt an, zu der Zeit mit einer Bronchitis im Bett gelegen zu haben – einer Erkrankung, die sie jedes Jahr plagt. Aber ob sie überhaupt die Wahrheit sagt, spielt für die Anklage kaum eine Rolle.

Und in Deutschland?
Zum Glück läuft es hierzulande noch anders. In einem vergleichbaren Fall in Hildesheim wurde eine Pflegekraft von der Anklage der fahrlässigen Tötung freigesprochen, weil sich die Infektionskette nicht zweifelsfrei nachweisen ließ. Aber in Klagenfurt scheint man es mit der Präzision nicht so genau zu nehmen. Hier wird einfach angenommen, dass die Begegnung im Flur der Auslöser war – und fertig. Mehr braucht es offenbar nicht.

Ein besonders zynischer Aspekt der Geschichte ist die finanzielle Situation der Angeklagten.
Der Tagessatz der Geldstrafe liegt bei lächerlichen vier Euro, was auf ihre Mittellosigkeit hindeutet. Dass sie vielleicht keine andere Wahl hatte, als die Wohnung während der Quarantäne zu verlassen, weil sie sich keine Lieferdienste leisten konnte, interessiert niemanden. Arme Menschen, die keine Vorräte zu Hause haben, geraten eben schnell zwischen die Mühlen der Pandemie-Regeln – ein bedauerlicher Kollateralschaden im Kampf gegen das Virus. Oder sollte man besser sagen: im Kampf gegen die Freiheit?

Ein gefährlicher Präzedenzfall?
Das Beunruhigende an diesem Urteil ist, dass es als Präzedenzfall dienen könnte. Jede zukünftige Ansteckung mit tödlichem Ausgang könnte eine Anklage nach sich ziehen. Die Grenze zwischen einer unglücklichen Infektion und einem strafrechtlich relevanten Vergehen wird immer dünner. Wer steht als Nächstes vor Gericht? Der Busfahrer, der einem hustenden Fahrgast die Tür öffnet? Der Verkäufer, der unwissentlich eine infizierte Ware über die Theke reicht?

Dieses Urteil zeigt, wie willkürlich der Begriff von Gerechtigkeit manchmal sein kann. Die Justiz inszeniert sich hier als Beschützerin der Gesellschaft, bewegt sich aber in eine gefährliche Richtung. Wenn jede Ansteckung als Verbrechen gilt, werden wir bald in einer Welt leben, in der Rechtsunsicherheit zur Norm wird. Vielleicht ist es Zeit, weniger blind auf Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung zu vertrauen und stattdessen den gesunden Menschenverstand wieder in den Vordergrund zu stellen.

Aber das wäre in einer Welt, in der wir alle potenziell schuldig sind, wohl schon zu viel verlangt.