Am 31.10.07 besuchte ich eine „Podiumsdiskussion im Bürgercafe“ in der Münsterlandstraße (Lichtenberg), mit dem alles sagenden Thema:
Ratlosigkeit im „Kampf gegen Rechts“. Ein Augenzeugenbericht.

„Was tun gegen Rechtsextremisten im Weitlingkiez?“. Obwohl es in der Einladung so schön hieß: „Alle Anwohner des Weitlingkiezes sind recht herzlich eingeladen, von ihren Erfahrungen zu berichten, nachzufragen und mit zu diskutieren.“, waren Dr. Gesine Lötzsch + Co. keineswegs bereit, tatsächlich mit ALLEN Anwohnern zu sprechen. Denn kleingedruckt wurde darunter angekündigt, „vom Hausrecht Gebrauch zu machen“, sollten Andersgesinnte anwesend sein. (Originaltext: „Die Veranstaltenden behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen.“)

Da ich weder einschlägig bekannt bin, noch durch meine Kleidung auffiel, gelang es mir (unbehelligt von der Polizei draußen und den „roten Socken“ drinnen), einen Sitzplatz im bereits gut gefüllten Raum zu ergattern. Nun würde ich das Neueste vom Weitlingkiez erfahren und, als besorgter Bürger, Ratschläge zur Unterstützung meiner „Zivilcourage“ erhalten, so dachte ich jedenfalls.
Falsch gedacht, wie sich im Verlaufe dieses Berichtes zeigen wird.
Aber dann wäre doch zumindest eine interessante Diskussion der Bürger mit den Politikern (bzw. den Parteivertretern der Linken) zu erwarten; zumal es da doch einige Anwohner gibt, die die Probleme ganz woanders sehen? Wieder falsch gedacht.
Denn Denken ist hier unerwünscht und Diskutieren auch, da man ja jede andere Meinung gleich zu Beginn nach draußen schickt. Diese zeigt sich nämlich in Form von vier jungen Männern, die, absolut ruhig und ordentlich im Hintergrund stehend (da alle Klappstühle besetzt waren), der Veranstaltung beiwohnen wollten. Weil diese Jungs aber kurze Haare hatten und dunkel gekleidet waren, wurden sie als rechtsradikal eingestuft und daher (mit dem Hausrecht) des Raumes verwiesen.

Daraufhin stand eine Frau, die unweit von mir saß, entrüstet auf und meinte: „Also wenn das hier Ihr Verständnis von Demokratie und freier Meinungsäußerung ist, dann habe ich hier nichts mehr verloren.“ Sie verlässt ihren Sitzplatz Richtung Ausgang und legt unterwegs etwas auf einem Tisch an der Seite ab „Meine Meinung steht hier, auf diesem Zettel“, dann verschwindet sie durch den Ausgang. Nun geht ein Gemurmel und Geraune durch die Zurückgebliebenen, aber die „bösen Jungs“ sind ja noch immer da. Man sieht sich um und um, und schließlich werden sie erneut aufgefordert zu gehen. Auf die erstaunte Frage eines der vermeintlichen Rechten, weshalb man denn weggeschickt würde, heißt es, sie seien ja nur gekommen, um die hier anwesenden Leute zu bedrohen. „Wie, warum… ich bedrohe Sie, oder was? Wieso bedrohe ich Sie denn?“ Naja, das wurde freilich nicht geklärt, denn wie bedrohlich kann man denn sein, wenn man einfach nur so da steht und hinter der Glastür im Rücken mehrere Herren von der Polizei das Ganze überwachen? Davon abgesehen befinden sich etwa 50 Bürger im Raum, also 50 gegen 4, fast das gleiche Verhältnis wie in der monatlichen BVV-Sitzung, also ebenso aussichtslos… und sie werden ebenso gnadenlos überstimmt. Sie räumten ihre Plätze mit Sätzen wie: „Gute Nacht, Demokratie!“, und endlich ist der Weg frei, für Multi-Kulti-Lobgesänge und die Mobilmachung der verbliebenen Gutmenschen des Bezirkes.

Als erstes wurde ein Amateurfilm aus dem Jahre 2006 gezeigt, in dem Anwohner und Gewerbetreibende der Weitlingstraße zu den von den Medien so fleißig beschworenen Problemen des Kiezes, bezüglich seiner „rechtsextremistischen“ Bewohner, befragt wurden. Da deren Aussagen nicht reißerisch genug waren, um das Konzept des Streifens mit dem Titel „Weitlingstraße – Wohnraum oder Angstraum“ aufgehen zu lassen, mußten noch Dr. Gesine Lötzsch und andere „Szene-Kenner“ für die verzweifelt gesuchte Dramatik sorgen. Immerhin mußten die ihrer Einladung gefolgten Bürger ja erstmal erfahren, warum man sie eigentlich herbemüht hatte. So. Da nun die Front zwischen Gut und Böse geklärt scheint, geht es gleich in die Vollen: Horden von Neonazis treiben ihr Unwesen in Form von 2 ungeklärten Vorfällen, jeder Menge Aufklebern und gesprühter Symbolik, die größtenteils noch nicht einmal die Bürgermeisterin als „rechts“ erkennen kann (daher empfiehlt sie einer besorgten Bürgerin, sich hierüber fortzubilden!). Eine geistig rege Zuhörerin, unweit von mir, zischt ihrem Mann zu: „Na wenn eh‘ keiner weiß, was es bedeutet, dann ist das doch auch egal…“ Es wurden dann einige angebliche Treffpunkte der „Rechtsextremisten“ aufgezählt, im Bereich Weitlingstraße die „Kiste“ und der Bahnhof (!). (Wenn es danach ginge, dann wäre dieser auch automatisch Treffpunkt für Mörder, Vergewaltiger und Terroristen, denn auch die sind hin und wieder mit Zug und S-Bahn unterwegs.)

Herr Sayan (Mitglied des Abgeordnetenhauses) erzählt vom Angriff auf ihn, natürlich waren es Rechtsradikale, die er aber nicht als solche erkannt hatte (?), jedoch nichts Genaues. Auf die Anfrage aus dem Publikum, was denn der momentane Stand der Ermittlungen eigentlich sei, da man sogar in Zeitungen Zweifel an dieser Version nachlesen könne, gibt er keine direkte Antwort. Er klagt nur vehement darüber, daß sogar aus eigenen Reihen an seiner Glaubwürdigkeit gezweifelt werde. Man solle doch im Krankenhaus nachfragen, welche Verletzungen er davongetragen und wie er unter den Folgen gelitten habe. (Die Frage war wohl eher die Täter betreffend…)
Ein älterer Herr („Genosse Sayan, wir sind Mitglieder der selben Partei…“) beschwört die Podiumsredner, doch auf die Medien einzuwirken, damit diese nun endlich einmal berichten, was wirklich Tatsache sei, daß nämlich „in der Weitlingstraße nicht nur die Zentrale der Neonazis von Berlin ist, SONDERN VON DER GANZEN BUNDESREPUBLIK!“ Klar, sicher. Das merkt man ja schon daran, daß laut Frau Ulbrich („Stadtteilmanagerin“ – hey, ich hab` eine Managerin!?) 17(!) verschiedene Nationen in der Weitlingstraße ansässig sind, wie sie stolz berichtet. Zur Ehrenrettung der restlichen Anwesenden sei gesagt, daß schon beim Wort „Genosse“ einige die Köpfe schüttelnd ihre Augen verdrehten.
Ja, da stellt sich nun die Frage, was kann der vielleicht doch langsam besorgte Bürger denn gegen all das Böse im Weitlingkiez unternehmen?

Nachdem Frau Ulbrich sich ja gleich eingangs beschwert hatte, daß von den Gewerbetreibenden noch nicht genug unternommen wird; was denn gemacht werden soll, wurde nicht ganz klar; erklärt nun Frau Lötzsch, daß schon einige Gelder für Projekte gegen rechts bewilligt worden wären (80.000 Euro pro Jahr, Anm.d.Verf.), was zwar natürlich noch nicht genug sei, aber immerhin. Sie bittet eindringlich, man möge sich doch selber etwas einfallen lassen, oder sich bestehenden Organisationen anschließen. Auch wird auf die dem Verfasser längst bekannte Broschüre „Was tun gegen Rechtsextremismus“ verwiesen, wo sie so lustige Weisheiten über „Neonazis“ zum Besten gibt wie: „Sie arbeiten an ihren Muskeln…“ (ich empfehle das Heftchen als Lacher, nicht nur für Glatzenpartys). Desweiteren wird noch empfohlen, mit offenen Augen durch den Kiez zu gehen und nicht wegzusehen, sondern Zivilcourage zu zeigen… also, laut Bürgermeisterin Emmrich, Aufkleber entfernen, Plakate abreißen, usw. Sie entrüstet sich, daß es doch tatsächlich immer wieder vorkäme, daß Bürger bei ihr anrufen und mitteilen, daß irgendwo ein Plakat rechten Inhaltes hinge, anstatt dieses sofort selbst zu entfernen! Eine ältere Dame steht auf und erzählt von ihrer Lieblingsbeschäftigung, nämlich bei ihren täglichen Spaziergängen rechtsextremes Gedankengut aus Park und Wohnblock eigenhändig zu entfernen, bzw. nötigenfalls telefonisch Hilfe anzufordern. Sie erntet auch prompt spontanen Applaus, aber mir fällt deutlich auf, daß nicht alle klatschen.

Herr Sayan hat längst die „Kiste“ (eine kleine Musikkneipe in der Weitlingstraße, nahe Bahnhof) im Visier, die er unbedingt schließen lassen will, und wenn da endlich jemand beobachten und bezeugen könne, daß es direkt (also wegen) dem dortigen Aufenthalt zu Straftaten (vor allem rechtsextremistischer Natur) kommt…, könne man den „Nazi-Treffpunkt“ endlich dichtmachen. Hinter mir höre ich einen Mann erstaunt raunen: „Ich war auch schon in der Kiste…“
Auch wurde von einer Bürgerin „…ich sag` das jetzt mal ganz vorsichtig formuliert…“ angesprochen, daß die negativen Meldungen über die Weitlingstraße in den Medien so richtig hochgepeitscht und breitgetreten werden, hingegen höre oder lese man kaum von all dem Positiven, das sie als Anwohnerin hier erlebe. Frau Lötzsch weiß aus eigener Erfahrung dazu zu sagen, die Medien seien an positiven Meldungen schlichtweg nicht interessiert.

Wie dem auch sei, was soll denn nun werden, in der Weitlingstraße?
Den teilweise erstaunten Bürgern wird freudig mitgeteilt, daß man, um den multikulturellen Anteil im Kiez zu stärken (zur Erinnerung: 17(!) verschiedene Nationen), noch eine ganz andere „kulturelle Bereicherung“ dort vermehrt ansiedeln will. Es handelt sich dabei um eine Art Programm zur Errichtung einer Schwulen- und Lesbenszene im Bezirk. Angesichts der fürchterlichen Bedrohung durch die „rechten Schlägerbanden“, ist Herrn Michael Grunst (BVV) zu seinem großen Mut zu gratulieren. Er ist, laut eigener Angabe, vor vier Wochen nach Lichtenberg gezogen, wohl um mit gutem Beispiel voranzugehen. Letzterer hat auch hocherfreut festgestellt, daß immer mehr junge Familien, z.B. aus Pankow, nach Lichtenberg ziehen würden, wegen der günstigen Mieten in renovierten Häusern. (Ja, sind das auch alles Rechtsextremisten, oder warum trauen sie sich mit kleinen Kindern hierher, in die „Hochburg des Bösen“?) Wie schön, endlich mal was Nettes.

Und dann war da ja noch was Gutes, an diesem seltsamen Abend.
Eine Frau hatte sich gemeldet und erklärte, sie hätte die jungen Leute nicht rausgeschickt, sondern ihnen das Gespräch angeboten. Vor allem die Dame, die schon auf das Vorhaben hin, die vier Männer rauszuwerfen, mit ihrem Verlassen der Veranstaltung reagierte, diese hätte man nicht gehen lassen sollen, sondern sie z.B. fragen, was sie denn unter Demokratie verstehe. Auf ihre Meldung hin, klatschte etwa ein Drittel der Anwesenden spontanen Beifall! Nun war Frau Dr. Lötzsch etwas unter Druck geraten und stellte sich prompt als „Kämpferin um jede Seele“ dar und meinte, es würden genug Gespräche geführt, aber es gäbe solche „Kader“, bei denen wäre ihr zum Diskutieren die Zeit zu schade (richtig, mit einem Eckart Bräuniger z.B. braucht sie wirklich nicht zu diskutieren, gegen dessen Argumente hat sie keine Chance, das scheint sie zu wissen. Aber DER war ja an diesem Abend auch gar nicht da…) Und dann wurde noch aus dem Zettel, den die Frau dagelassen hatte, zitiert, aus dem Zusammenhang gerissen, dieser eine Satz würde schon genügen, hieß es. Es war darin die Rede von „deutschen-feindlichen Äußerungen von Ausländern“ – damit habe sie (die fremde Dame) sich schon „geoutet“. Beipflichtendes Gemurmel in den vorderen Reihen. Also offenbar sowieso eine Rechtsextremistin, da konnte man wohl aufatmen, daß sie schon freiwillig gegangen war. Ich fand das alles äußerst interessant. Als ich schon überlegte, mich ebenfalls zu outen und als Gesprächspartner Rede und Antwort zu stehen, da meldete sich hinten eine junge Frau zu Wort und begann von ihrem Cafe in der Wönnichstraße zu erzählen. Sie wolle die Multikultur damit fördern und so weiter. Gut fand ich aber: „ich höre immer Genosse und Kollegen, bin ich hier in einer Parteiveranstaltung gelandet?“ Ich überlegte, ob da hinten noch mehr so junges Publikum sitzt. Na, dachte ich mir, sagste lieber doch nichts. Mußt ja schließlich noch heil nach Hause kommen… soviel zur Bedrohung und woher sie wirklich kommt.
Schön war auch, mitten in der Veranstaltung bestätigt zu bekommen, wie gut die Verteilung der Fraktionsnachrichten im Kiez funktioniert. Ein Bürger hat sie hochgehalten und aufgeregt daraus zitiert. Klar, daß man sofort auf das neu geplante NPD-Verbot zu sprechen kam. Jedoch äußerten sich und applaudierten mehrere Leute dagegen. Einfach verbieten würde nichts in den Köpfen ändern, meinten sie. Frau Dr. Lötzsch hingegen ist sich ihrer Sache natürlich sicher und erwähnte stolz den neuesten Stand der Zahl der gesammelten Unterschriften.
Auch die Anmerkung einer Zuhörerin, in ihrer Frage an Frau Emmrich, wie denn in der BVV die „Zusammenarbeit“ mit der NPD verliefe: „…und das sind doch bestimmt intelligente, schlaue Leute, mit denen Sie es da zu tun haben…“ war die reine Freude für mich.

Darf man sich jetzt trauen, von einer besseren Zukunft in seiner Wohngegend zu träumen? Doch Achtung, da kommt noch was, nämlich Hoher Besuch! Herr Sayan hatte schon zu Anfang seiner Zuhörerschaft in etwas schwieriger Formulierungsarbeit an den bedauernswerten Fall eines farbigen Anwohners erinnert, welcher dort sogar eine Familie gründen konnte und dann systematisch aus dem Haus geekelt wurde, von den eigenen Nachbarn vertrieben. Das ist schlimm. Da muß man sich schämen. Und damit so etwas hier nie mehr passiert, schlägt Herr Sayan vor, bei einem gemeinsamen, öffentlichen Spaziergang durch den Kiez demonstrativ gerade zu solchen Häusern (wie viele gibt es denn davon?) zu gehen, am besten gleich die Anwohner anzusprechen usw. Also vom Angstraum in den Wohnraum? Prima Idee. Vielleicht entdecken die Herrschaften auf diese Weise ja die wahre Weitlingstraße, mal so ganz ohne „Mythos“…