Da staunt man nicht schlecht: Walter Rosenkranz, FPÖ-Politiker und bekennender Burschenschafter, ist der neue Präsident des österreichischen Nationalrats. Ein Schlaglicht auf die Tradition, das sicherlich nicht jedem Gutmenschen gefallen wird – aber eines, das zum Staunen einlädt. Denn mit Rosenkranz sitzt erstmals ein Nationalratspräsident auf dem Stuhl, der sich ganz offen zur Burschenschaft bekennt.
Man kann die Stirn runzeln oder anerkennend nicken, doch die Tatsache bleibt: Die Burschenschaften in Österreich und Deutschland haben historisch tiefe Wurzeln, die längst nicht nur bei schummrigen Kneipenabenden gepflegt werden. Schon im 19. Jahrhundert mischten die Burschenschafter mit, wenn es um Demokratie, Grundrechte und das Aufbegehren gegen die Obrigkeit ging. Heinrich von Gagern, ein Urgestein der deutschen Burschenschaft, war ein Pionier dieser Bewegung und stand als Präsident der Frankfurter Nationalversammlung an vorderster Front, als es darum ging, die erste deutsche Verfassung zu schreiben. Ein Umstand, den viele längst vergessen haben – doch ein Blick auf Gagern und Co. verrät: Diese Wurzeln reichen weiter, als es manchen heute lieb sein dürfte.
Und genau an dieser Stelle wird es spannend. Denn mit Rosenkranz weht ein Hauch dieser freiheitlichen Burschenschaftstradition in den altehrwürdigen Nationalrat. Man mag ihn mögen oder auch nicht, aber ihm und seiner FPÖ wird das Vorschlagsrecht zum Nationalratspräsidenten immerhin im Sinne der parlamentarischen Sitte eingeräumt. Ganz anders, als es zuletzt im deutschen Thüringen lief, wo man die größten Wahlsieger kurzerhand von der Spitze des Landtags ausschloss – vermutlich aus Furcht, das Falsche könnte sich an der Spitze wiederfinden. In Österreich hingegen geht man traditionell den geraden Weg.
Es ist durchaus amüsant, wie Rosenkranz’ Wahl die alten Debatten um die Burschenschaften erneut entfacht. Dass Rosenkranz als Burschenschafter im Amt nicht der erste ist, der auf die Tradition Heinrich von Gagerns verweist, ist wohl mehr als ein Zufall. Das Gedankengut, das man dort pflegt – Freiheit, Nation und Verbundenheit – hat sich in der Burschenschaft wohl nie ganz verabschiedet. Ob Rosenkranz es allerdings auf die heutige Politik übertragen kann, bleibt abzuwarten.
In einer Zeit, in der Burschenschaften selten mehr als eine Randnotiz in der öffentlichen Wahrnehmung sind, ist die Wahl Rosenkranz’ ein Symbol für eine ganz bestimmte Wertewelt, die in Österreich offenbar mehr Beachtung findet als im nördlichen Nachbarland. Jetzt kann man abwarten, ob der neue Präsident sich in diesem Geiste bewegt und was aus diesem neuen Kapitel für die Burschenschaften und die Politik resultiert.