Frankfurts Oberbürgermeister Martin Patzelt (CDU), nur noch wenige Wochen im Amt, Gott sei des gedankt, kann es nicht lassen, Bürgerwillen und Bürgerentscheid zu brechen. Das zeichnet eben Christ- wie Sozialdemokraten in unserem Land aus – das Volk hat das zu tun, was ihnen die Politiker diktieren. Demokratie ist für sie ein Fremdwort. Hier hat das Volk nicht zu entscheiden, was für seine Existenz und seine Lebensbedingungen gut und wichtig ist. Im Januar 2006 hatten die Frankfurter ihrem Oberbürgermeister die rote Karte gezeigt und ihm unmissverständlich ins Stammbuch geschrieben – wir wollen keine Straßenbahnverbindung über die Oder. Statt dem Willen der Bürger Respekt zu zollen, zeigte sich der CDU-Politiker beleidigt, beklagte Undankbarkeit und sann auf Rache. Er würde es den Frankfurtern schon zeigen, wer hier das Sagen hat.

Letzten Sommer unternahm Patzelt den nächsten Vorstoß. Er warb damit, dass dieser Bau gewissermaßen gratis sein könnte. Bis zu 80 Prozent der Baukosten für die Gleisverlegung könnten möglicherweise aus Brüssel kommen – oder auch nicht. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) unterstützte den erneuten Anlauf von Patzelt und trommelte im Juli 2009 ebenfalls für einen neuen Anlauf.

Doch die Stadtverordneten leisten Widerstand. Sie wissen, dass sie das ohnehin geringe Vertrauen ihrer Mitbürger verlieren werden, wenn sie bei der Patzelt-Mauschelei als willfährige Handlanger in Erscheinung treten. So überwiesen kurzerhand die Frankfurter Stadtverordneten am Donnerstag (25.3.) eine Beschlussvorlage zur Finanzierung einer Machbarkeitsstudie zur Verlängerung der Frankfurter Straßenbahn über die Stadtbrücke in die von Polen verwaltete Frankfurter Dammvorstadt (Slubice) in den Hauptausschuss.

Der verärgerte CDU-Bürgermeister lamentierte denn auch gleich: “Ich hätte gewünscht, dass es nicht wieder eine Grundsatzdebatte zum ÖPNV gibt“. Die Stadtverordneten wollten vor allem wissen, wie es denn mit den Finanzen geregelt sei. Wenn schon die polnische Seite nur ein Drittel der Kosten zu übernehmen hätten – obwohl sie die einzigen Nutznießer sind -, warum sollen diese Kosten dann auf maximal 60.000 Euro beschränkt werden, während Frankfurt auf den Restkosten in ungeahnter Höhe möglicherweise sitzen bliebe? Verwundert fragten auch Stadtverordnete, warum in der Vereinbarung kein Gerichtsstand zur Durchsetzung von Zahlungsforderungen festgehalten worden sei. Schließlich haben die Brandenburger doch schon reichlich Erfahrungen mit der Nichteinhaltung von Zahlungen der polnischen Seite. CDU-Patzelt ließ daraufhin wissen: Ihn störe das Misstrauen, das in der Diskussion spürbar geworden sei. Kann ein Bürgermeister noch verantwortungsloser agieren? Die vielen deutlichen Worte der Stadtverordneten sollten für die Bürger ein Alarmsignal sein, damit sie sich persönlich in Briefen und in anderer Weise gegen diese Pläne zur Wehr setzen. Legen wir endlich den Politikern das Handwerk, die Volkes Willen mit Füßen treten.

Und für all jene, die sich ein wenig mit der Geschichte der Straßenbahn in Frankfurt an der Oder vertraut machen möchten, habe ich ein paar Daten zusätzlich zur Information parat. Eine Straßenbahnverbindung hat in Frankfurt schon über 100 Jahre Tradition. Am 22. Januar 1898 erfolgte die offizielle Eröffnungsfahrt. Einen Tag darauf, also am 23. Januar 1898, begann der Regelbetrieb auf den ersten zwei der insgesamt vier Linien, die Grüne Linie vom Buschmühlenweg zum Magazinplatz (heute Karl-Ritter-Platz) und die Rote Linie vom Neuen Kirchhof zum Schützenhaus (in der Dammvorstadt). Der Betriebshof befand sich nahe der Oder in der Bachgasse. Die neue Straßenbahn fuhr zunächst von etwa 8 bis 22 Uhr alle 6 bis 12 Minuten. Am 22.April 1945 wurde infolge der russischen Invasion der Straßenbahnbetrieb in Frankfurt/Oder völlig eingestellt, nachdem drei Tage zuvor durch die Sprengung der Stadtbrücke die Verbindung zur Dammvorstadt bereits unterbrochen worden war. Ab Juli 1945 wurde der Straßenbahnverkehr im sowjetische besetzten Frankfurt/Oder wieder aufgenommen, in der von Polen besetzten Dammvorstadt wurde bis heute nichts unternommen, um einen Straßenbahnbetrieb wieder ins Leben zu rufen.

Dr.Kersten Radzimanowski