Manchmal ist es ja so, dass jemand das eigene Haus in Brand setzt und dann als Held dastehen will, weil er als Erster zur Feuerwehr greift. So ähnlich könnte man das aktuelle Verhalten von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beschreiben. In einem Sommerinterview im ZDF, das mehr an eine Brandrede als an staatsmännische Besonnenheit erinnerte, ließ er durchblicken, dass er die Demokratie vor den Deutschen selbst schützen will. Zumindest vor den Falschen unter ihnen. Die kommenden Wahlen in Thüringen und Sachsen könnten für Steinmeier zum Lackmustest werden, ob es wirklich um den Schutz der Demokratie geht – oder um etwas ganz anderes.

Es ist schon erstaunlich, wie sehr die politische Elite ins Schwitzen gerät, wenn sich der Wind dreht. Aktuelle Umfragen zeigen, dass die AfD in Thüringen und Sachsen auf Siegkurs liegt. In Thüringen scheint die Partei sogar uneinholbar vorne zu liegen. Dabei ist es noch nicht lange her, da wurde die AfD von eben jenen Kreisen als unbedeutende Randerscheinung abgetan, ein Phänomen, das von selbst wieder verschwinden würde. Doch nun, nach den tragischen Ereignissen in Solingen, die offenbar bei vielen Bürgern tiefe Spuren hinterlassen haben, droht der AfD ein Wahlerfolg, den Steinmeier und Co. kaum zu ertragen scheinen. Die etablierten Parteien bekommen es mit der Angst zu tun – und zwar zu Recht.

Steinmeiers Warnung: Demokratie in Gefahr?

In Zeiten wie diesen, so Steinmeier, dürfe die Macht nicht in die Hände jener gelangen, die die „Grundfesten unserer Demokratie“ angreifen. Das ist ein Satz, den man sich auf der Zunge zergehen lassen muss. Wer genau diese „Angreifer“ sind, darüber lässt Steinmeier keinen Zweifel. Es sind jene, die es wagen, mit den Altparteien und dem „System“, wie er es nennt, zu hadern. Steinmeier fordert dazu auf, das zu verteidigen, was seiner Ansicht nach die wahre Demokratie ausmacht: politische Institutionen, die Öffentlich-Rechtlichen, Gewerkschaften, Parteien – und selbstverständlich auch die freien Medien, die ja bekanntlich nur das Beste für uns wollen. Ein Schelm, wer darin eine Warnung an die Wähler der AfD sieht. Steinmeiers Botschaft ist klar: Nicht jede Stimme ist gleichermaßen demokratisch.

Es ist nicht das erste Mal, dass Steinmeier mit seinen Aussagen für Stirnrunzeln sorgt. Doch dieses Mal könnte er einen Schritt zu weit gegangen sein. Juristen und politische Kommentatoren kritisieren ihn scharf. Ein besonders gewiefter Rechtsgelehrter meinte sogar, Steinmeier bereite mit seinen Aussagen die Bühne für die Annullierung unliebsamer Wahlergebnisse. Man könnte meinen, Steinmeier glaube, es gehöre zu seinen präsidialen Pflichten, die Demokratie vor den Wählern zu schützen – zumindest vor denen, die sich für die falsche Partei entscheiden. Dabei müsste doch gerade er wissen, dass Demokratie bedeutet, auch mit unliebsamen Ergebnissen leben zu müssen. Aber offenbar ist die Versuchung groß, sich als Retter der Nation zu inszenieren – egal, was die Verfassung dazu sagt.

Sicherheitsdebatte nach Solingen

Wie praktisch, dass das Blutbad von Solingen kam, als Steinmeier gerade auf der Suche nach Argumenten war, um seine Sorgen um die Demokratie zu untermauern. Sofort forderte er mehr Überwachung, mehr Polizei, mehr Staat. Unterstützt wird er dabei von Innenministerin Nancy Faeser, die kaum eine Gelegenheit auslässt, um das Grundgesetz weiter zu strapazieren. Es scheint, als hätten die beiden erkannt, dass sich mit den richtigen Argumenten – etwa dem Schutz vor Terror – beinahe jede Freiheit einschränken lässt. Was früher einmal als Schutzschild der Bürgerrechte galt, wird nun als Hindernis betrachtet, das man überwinden muss, um den Staat vor seinen Bürgern zu schützen. Wenn es nach Steinmeier ginge, würde die Polizei wohl bald nicht mehr nur auf Verbrecher, sondern auch auf Wähler angesetzt, die das falsche Kreuz machen.

Frank-Walter Steinmeier sieht sich offenbar als letzter Verteidiger der Demokratie – gegen das eigene Volk, wenn es sein muss. Doch wie weit darf dieser Schutz gehen? Wann wird aus dem Retter der Demokratie derjenige, der sie untergräbt? Seine jüngsten Aussagen haben eine beunruhigende Richtung angedeutet. Vielleicht ist es an der Zeit, dass der Bundespräsident sich daran erinnert, dass sein Amt auch Zurückhaltung und Neutralität erfordert. Die Frage bleibt, ob Steinmeier wirklich die Demokratie verteidigen will oder ob er sich nicht vielmehr als derjenige inszeniert, der entscheidet, wer überhaupt demokratisch wählen darf. Aber vielleicht ist das ja das neue Verständnis von Demokratie, in der alles erlaubt ist – solange es dem Richtigen dient.