Der BRD-Gutmensch hat inzwischen sein endgültiges Symbol gefunden: die Regenbogenflagge. Sie steht für Frieden, Toleranz, Diversität, also: für das unschlagbar Gute. Und sie passt genau zum Universalismus, zur Fernstenliebe und zum Traum vom Weltstaat, der kein „Außen“ mehr kennt.
Das Schwenken einer Regenbogenflagge, das öffentliche Zurschaustellen der eigenen Tugendhaftigkeit, funktioniert wie eine Desinfektionsanlage der Gesinnung. Das Gutmenschentum ist längst eine Art Ersatzreligion; und nicht nur hierzulande, sondern weltweit.
An der apodiktischen Schuldzuweisung eines vom weißen Mann verursachten Klimawandels kann man sehr deutlich sehen, wie Schuld als moralische Droge funktioniert. Die Selbstanklagen der Schuldneurotiker verschaffen ihnen nicht nur ein einfaches Weltbild, sondern auch eine pseudomoralische Überlegenheit. An die Stelle der Analyse tritt die Selbstanklage, die z.T. bereits in Selbsthass umgeschlagen ist.
Das absurde Schuldgefühl des wohlhabenden Teils der westlichen Welt manifestiert sich als neue Erbsünde. Da es aber nicht wie für Christen eine Erlösung gibt, verwandeln Gutmenschen das ganze Leben in ein einziges Bußritual. Niemand soll mehr stolz sein – es sei denn: stolz auf die eigenen Sünden. Die Deutschen beziehen ihren Sündenstolz aus der NS-Vergangenheit, die großen europäischen Nationen aus dem Kolonialismus und die USA aus der Rassendiskriminierung.
So ist allmählich eine spezifische Form von Irrsinn gesellschaftsfähig geworden. Man denke nur an die Tabus und Verbote der Politischen Korrektheit und an die Endzeitpropaganda bei allen Umweltfragen. Die Anmelder von Demonstrationen unter der Regenbogenflagge dürfen damit rechnen, dass Regierungsvertreter in der ersten Reihe mitmarschieren. Das 21. Jahrhundert hat als Zeitalter der emotionalen Inkontinenz begonnen: Die Welt dreht sich um selbsternannte Diskriminierte, um lautstarke Minderheiten und deren z. T. absurde Befindlichkeiten.
Bleibt die Frage: Warum geschieht das gerade jetzt? Antonio Gramsci hat den langen Marsch durch die Institutionen propagiert – dieser Marsch ist heute abgeschlossen. Die Saat des universitären Nihilismus ist aufgegangen. Was Postmoderne, Dekonstruktivismus und Politische Korrektheit für das Gutmenschentum so attraktiv macht, ist das Angebot der totalen Entlastung; die Existenz außerhalb von Wahrheit und Wirklichkeit. Der rote politische Kompost, der vor 50 Jahren aufgeschichtet wurde (Frankfurter Schule u.a.), geht heute hoch, als übelriechender Knallkörper.