Bei der Bilanzierung der Regierungszeit des jüngst verstorbenen Ex-Bundeskanzlers Helmut Kohl fällt dessen Rolle bei der (kleindeutschen) Wiedervereinigung 1989/90 besonders schwer ins Gewicht. Kohl hatte für den „Ernstfall“ der deutschen Einheit bekanntlich keinerlei Konzept und mußte sich seinen berühmten „Zehn-Punkte-Plan“ im November 1989 von seinem Berater Horst Teltschik in aller Eile auf einen Schmierzettel kritzeln lassen. Kohl hatte, wie der Großteil des kleinwestdeutschen Parteienklüngels, die Wiedervereinigung nicht einmal theoretisch auf dem Radarschirm. Ihn als „Kanzler der Einheit“ zu bezeichnen, ist eine krasse, unverschämte Geschichtslüge.

Man muß festhalten, daß die Union NIE etwas mit der Wiedervereinigung am Hut hatte. Schon unter Adenauer nicht, dem ersten Kanzler der von den Westalliierten zusammengestückelten „Bundesrepublik“ Deutschland. Was viele nicht mehr wissen: es hätte bereits 1952, wenige Jahre nach dem Ende des Krieges, eine ernstzunehmende Chance auf die Wiederherstellung der deutschen Einheit, ja sogar auf einen Friedensvertrag gegeben, den Deutschland bekanntlich bis heute nicht hat. Adenauer verspielte sie. Vorsätzlich.

Sowjetdiktator Stalin ließ den westlichen Siegermächten im März 1952 eine diplomatische Note über die Lösung der „Deutschen Frage“ überreichen. Sie sah einen Friedensvertrag, die auf der Potsdamer Konferenz (Juli 1945) beschlossenen Grenzen, den Abzug aller Besatzungsstreitkräfte, eine demokratische Ordnung und die außenpolitische Neutralität vor – bei eigenen deutschen Streitkräften.

Nicht nur sieben Jahre nach der Katastrophe von 1945, sondern auch aus heutiger Perspektive war dieses Angebot die pure Sensation. Es wäre geeignet gewesen, den Deutschen nicht nur eine völkerrechtlich verbindliche Friedensordnung zu geben – es hätte auch die Siegerordnung von 1945 völlig über den Haufen geworfen.

Die Historiker sind sich bis heute nicht einig darüber, ob die „Stalin-Note“ mehr war als ein taktisches Manöver. Jüngere Dokumentenfunde in westlichen Archiven scheinen dies nahezulegen. Eine in gesamtdeutscher Verantwortung stehende deutsche Regierung hätte dies auszuloten gewußt und im glücklichsten Fall die Wiedervereinigung bewerkstelligt; eine „kleinstdeutsche“ zwar, aber immerhin. Über die Ostgebiete, die ohnehin nur unter polnischer bzw. sowjetischer „Verwaltung“ standen, wäre später zu verhandeln gewesen.

Nur: die Bundesrepublik hatte damals keine Regierung in gesamtdeutscher Verantwortung. Sie hatte eine CDU-Regierung unter Konrad Adenauer. Der katholische Rheinländer Adenauer wollte von den protestantischen, „roten“ Mitteldeutschen ohnehin nichts wissen und war im Grunde froh, daß sie „draußen“ waren und seine Mehrheiten in Westdeutschland nicht gefährden konnten. Er prüfte Stalins Angebot nicht einmal, lehnte ab – und setzte in vollster Absicht eine unglaubliche Chance in den Sand.

Ob Kohl, ob Adenauer oder Strauß: es war immer der gleiche kleinwestdeutsche Klüngel aus Reichsfeinden und Transatlantikern. Die Union hat die deutsche Einheit nie gewollt. Glaubt nicht, was sie Euch heute erzählen.