Es beginnt mit einem Pullover und endet in der Prinzipienlosigkeit. Was einst als subkultureller Auswurf galt, als Krawallparole aus der Rumpelkammer der autonomen Szene, wird nun von Abgeordneten hofiert. „ACAB“ – die Abkürzung für „All Cops Are Bastards“ – ist inzwischen kein anonymer Graffiti-Schnörkel mehr an Hauswänden. Es ist zur parlamentarischen Haltung geworden, zur „demokratischen Selbstverständlichkeit“, wie die sächsische Linken-Abgeordnete Juliane Nagel freimütig verkündet. Ihr fällt dabei nicht einmal mehr auf, dass sie in jenen Worten genau das verhöhnt, was Demokratie eigentlich schützt: die Legitimität des Rechtsstaats und die Würde seiner Organe.
Die politische Linke, so scheint es, trägt ihren Kulturkampf nicht mehr mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit ausgestrecktem Mittelfinger gegen die letzten Instanzen bürgerlicher Ordnung: Polizei, Familie, Bildung, Religion, Eigentum. Besonders die Polizei, einst symbolisch für den Schutz des öffentlichen Raumes, wird zunehmend zur Zielscheibe eines ideologischen Furors, der sich nicht länger in der Rhetorik von Gerechtigkeit und Teilhabe tarnt, sondern sich offen in Systemsturzphantasien gefällt.
Wer in linken Jugendorganisationen „ACAB“ trägt, meint dies nicht als unbedachtes Modestatement. Es ist Programm. Es ist Haltung. Es ist – darin liegt der Skandal – heute mehrheitsfähig im eigenen Milieu. Dass nun sogar Mandatsträgerinnen wie Frau Nagel, oder zuvor die Grüne Jette Nietzard, das pauschale Verächtlichmachen staatlicher Ordnungskräfte als Ausdruck von Antifaschismus verklären, ist mehr als eine Grenzüberschreitung. Es ist ein Bekenntnis: gegen die Ordnung, gegen die Institution, gegen den Staat.
Mehr noch: Juliane Nagel ist nicht nur ideologisch nah dran – sie unterstützt aktiv jene, die das Gewaltmonopol des Staates infrage stellen. Als Anmelderin linksextremer Demonstrationen wie „Wir sind alle LinX“, bei denen es regelmäßig zu Angriffen auf Polizeibeamte kommt, und als Unterstützerin der verurteilten Linksextremistin Lina E. (Hammerbande), hat sich Nagel längst zur Brückenfigur zwischen Parlament und Szene gemacht. Wer gemeinsam mit jenen marschiert, die Pflastersteine statt Argumente werfen, sollte sich nicht auf die schützende Aura demokratischer Gepflogenheiten berufen dürfen.
Dabei leistet die Polizei in diesem Land, bei aller berechtigter Kritik im Detail, einen Dienst, der Respekt verdient. Wer Nächte auf der Straße verbringt, Demonstrationen sichert, verirrte Jugendliche sucht, Wohnungseinbrüche klärt, häusliche Gewalt dokumentiert oder terroristische Netzwerke überwacht, verdient keinen Spott, keine Häme, und schon gar nicht einen systematischen Rufmord unter dem Banner des vermeintlichen Fortschritts.
Gerade die politische Rechte, oft selbst Ziel polizeilicher Maßnahmen, bewahrt sich in ihrer großen Mehrheit dennoch Respekt vor der Institution Polizei. Sie unterscheidet – wo die Linke pauschal verurteilt – zwischen Befehl und Befehlsempfänger, zwischen Einsatzleitung und Beamten. Wer mit offenen Augen und ohne ideologische Scheuklappen auf die Lage blickt, erkennt: Die Polizei wird nicht aus der rechten Ecke destabilisiert, sondern von einer Linken, die längst nicht mehr von Protest träumt, sondern von Abschaffung.
Heidi Reichinnek, Bundestagsabgeordnete der Linken, ist hier nur ein weiteres Beispiel. Ihre Träumereien von einem „Systemwandel“ mögen im Jargon der „progressiven Bewegungen“ ganz harmlos klingen. Doch was sie und andere in Wirklichkeit meinen, ist die Demontage der bestehenden Ordnung – und damit auch derjenigen, die sie aufrechterhalten.
Dass ein solches Vorgehen vom Verfassungsschutz unkommentiert bleibt, ist bemerkenswert – und bedenklich. Wo war die Analyse? Wo der Hinweis auf die Delegitimierung des Staates, die doch sonst so schnell gegen andere Gruppen formuliert wird? Die Relativierung von Gewalt, die Gleichsetzung von Rechtsstaat und Repression, die Umdeutung der Polizei in ein Feindbild – all das scheint tolerierbar, solange es aus der richtigen politischen Richtung kommt.
Was bleibt, ist eine gefährliche Schieflage. Denn ein Gemeinwesen, das seine Ordnungskräfte verachtet, verachtet letztlich sich selbst. Wer sich hinstellt und sagt, alle Polizisten seien Bastarde, der sagt auch: Wir wollen nicht mehr, dass Ordnung herrscht. Nicht mehr, dass Recht durchgesetzt wird. Nicht mehr, dass Demokratie wehrhaft bleibt.
Es ist höchste Zeit, dieser Verrohung entgegenzutreten – nicht mit Pullovern, sondern mit Prinzipien.