Noch hat die derzeitige Austrittswelle nicht die Ausmaße von 2015 erreicht, als Bernd Lucke sich im Führungsstreit von der Alternative für Deutschland löste und einen Großteil seiner Gefolgsleute mit sich in die neu gegründete Partei ALFA (mittlerweile LKR) nahm. Dennoch wiegt der aktuelle Aderlass um einiges schwerer, als der vor zwei Jahren. Denn diesmal sind sämtliche Probleme hausgemacht. In die aktuelle Lage hat man sich seit Monaten selbst hinein-manövriert. Darüber hinaus ist der Nimbus der neuen aufstrebenden Kraft mittlerweile verbraucht.

Nur drei Tage nach dem Austritt von Sarah Sauermann aus der noch größten Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt hat nun ihr bisheriger Kollege Gottfried Backhaus nachgelegt. Die AfD verfügt damit nur noch über 23 Sitze am Magdeburger Domplatz. Bereits jetzt geht man davon aus, dass in den kommenden Wochen deutschlandweit weitere Abgeordnete folgen werden. Backhaus gehörte wie Sauermann dem liberaleren Flügel um Parteichefin Frauke Petry an. „Gemäßigte, konservativ und liberal denkende Mitglieder, welche sich kritisch zu Vorgängen innerhalb der Partei äußern, werden durch den Landesvorstand und den Fraktionsvorstand benachteiligt und undemokratischen Vorgehensweisen unterzogen“, schreibt er als Begründung.

Besonders schwer wiegt der Umstand, dass die aktuelle Parteiführung nicht in der Lage ist, eine klare Linie vorzugeben, was dazu führt, dass der Mandatsverlust sich nicht auf eines der zwei konkurrierenden innerparteilichen Lager beschränkt. Es scheint, dass zwischen Gauland/ Höcke und Petry/ Pretzell mittlerweile Welten liegen. Hinzu kommt, dass gegen die patriotischen Kräfte eine Art Hexenverfolgung initiiert wurde. So wurde diese Woche auch ein Ausschlussverfahren gegen Jannik Brämer, dem bisherigen Schatzmeister der jungen Alternative, der Jugendorganisatuion der AfD, beschlossen. Brämer gesellt sich zu einer Riege weiterer Verfahren gegen prominente Parteikader, von denen der Dresdener Richter Jens Maier und der Würzburger Direktkandidat zur Bundestagswahl Thomas Thiel die prominentesten sind. Auch Thüringens Fraktionschef Björn Höcke sieht sich aktuell einem Ausschlussverfahren ausgesetzt.

Die Umfrageergebnisse der letzten Monate zeigen, dass die Zerstrittenheit der Alternative auch beim Wähler nicht Spurlos vorbeigeht. Kam man vor Jahresfrist noch auf Ergebnisse bis zu 15 Prozent, so sind derzeit nur noch maximal 8 Prozent Stimmenanteil drin; Tendenz stark sinkend. Die Frage ist: Verspielt die AfD noch kurz vor der Zielgeraden den Einzug in den Deutschen Bundestag? Fest steht, dass dieser nicht mehr alleinig in den Händen der Parteiführung liegt. Es wird auch davon abhängen, wie sich die ehemaligen Abgeordneten, ob auf Landesebene oder Kommunal, im Wahlkampf verhalten werden.

Für authentisch-nationale Parteien wie die NPD kann das Tohuwabohu bei der AfD dagegen auch eine Chance sein. Besonders weil die Nationaldemokraten unter ihrem seit 2014 amtierenden Vorsitzenden endlich wieder in ruhigere Fahrwasser geraten sind. Von alten Finanzproblemen und innerparteilicher Zerstrittenheit ist dort zumindest nach außen nichts mehr zu hören. Mit dem gewonnen Verbotsverfahren weiß der Wähler auch endlich, dass eine Stimme für die NPD keine verschenkte Stimme ist.